Samstag, 10. Dezember 2011

Wittgenstein verarscht die Exegeten

Bei der Internetsuche nach der Quelle des Ausdrucks "Geschwätzigkeit des Todes" - er riecht streng nach Hegel, aber scheinbar hat ihn Nassehi in die Welt entlassen - habe ich erfahren, daß Nassehi einen Aufsatz mit dem Titel "Worüber man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen" - Über die Geschwätzigkeit des Todes in unserer Zeit veröffentlicht hat. Dieses Fehlzitat aus dem Tractatus - der Originalsatz lautet "Wovon man nicht sprechen kann ..." - ist kurios, denn es ist das am meisten zitierte.

Nun ja ... Aus Neugier habe ich in der Deutschen Wipe nachgeschaut, was Anonymus so zu dem Satz zu sagen hat:
Der letzte Abschnitt [7] des Tractatus besteht lediglich aus einem prägnanten und viel zitierten Satz: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Womit nicht gemeint ist, dass bestimmte Wahrheiten besser unerwähnt bleiben, sondern dass das, was Sprechen oder Denken ermöglicht, nicht dessen Gegenstand sein kann – wodurch philosophische Rede schlechthin in Frage steht.
Meine Güte, was für ein bedächtiger Unsinn ! Wittgensteins Satz ist Witz, eine tautologische Neckerei. Zugunsten der ersten Interpretation, die Anonymus vorlegt, um sie gleich zurückzuweisen, hätte es heißen müssen: "Wovon man nicht sprechen darf, darüber sollte man schweigen". Dann preßt Anonymus doch noch Tiefsinn aus dem mot, und findet "philosophische Rede schlechthin" an den Pranger gestellt.

Dahingegen gebe ich Folgendes zu bedenken:

1) Wittgensteins Spruch suggeriert in keiner Weise, daß es etwas gibt, wovon man nicht sprechen kann. Schon "wovon man nicht sprechen kann" ist ein (wenn auch mageres) Sprechen über das, wovon man angeblich nicht sprechen kann.

2) Es fällt in der Regel nicht schwer, über Sachen zu sprechen, von denen man eigentlich nicht sprechen kann, da man keine Ahnung hat.

3) Der Satz läßt sich daher so lesen: "hast du nichts zu sagen, halt' die Fresse".

Keine Kommentare: